Dynamische Netzstützung und TAR Mittelspannung verstehen

Warum müssen Erzeugungsanlagen kurze Spannungseinbrüche und -erhöhungen durchfahren und gleichzeitig einen Blindstrom einspeisen können? Was hat es mit der Anforderung auf sich, dass mehrere aufeinander folgende Netzfehler durchfahren werden müssen?

Bis vor wenigen Jahren war das europäische Stromnetz durch die Erzeugung von konventiionellen Großkraftwerken geprägt. Diese erzeugen über einen direkt mit dem Netz gekoppelten Synchrongenerator den elektrischen Strom. Die physikalischen Eigenschaften dieser Generatoren/Maschinen (Massenträgheit) ermöglichen eine direkte Reaktion auf kritische Netzsituationen, wie Frequenzänderungen und kurzzeitige Spannungseinbrüche oder -erhöhungen. Diese netzstützenden Eigenschaften werden auch Systemdienstleistungen genannt. Das heutige Energieversorgungsnetz mit zunehmender Erzeugung aus Erneuerbaren Energien ist darauf angewiesen, dass sich auch die dezentralen Erzeugungsanlagen an der Netzstützung beteiligen.

Zu den Systemdienstleistungen zählt auch das unterbrechungsfreie Durchfahren von Netzfehlern, besser bekannt unter dem Begriff FRT (Fault Ride Through). Würden sich Erzeugungsanlagen bei kleinen Spannungseinbrüchen vom Netz trennen, käme es zu einem Leistungsdefizit, welcher eine weitere Destabilisierung des Netzes zur Folge hätte. Um dies zu verhindern, wird durch die Technische Anschlussregel Mittelspannung ein Spannung-Zeit-Diagramm mit Grenzlinien vorgegeben. Innerhalb der Grenzlinien ist keine Trennung vom Netz erlaubt. Folgende Abbildung zeigt beispielhaft die Anforderung für eine sogenannte Anlage des Typs 2 (i.d.R. Anlagen, die über einen Umrichter einspeisen).

Grenzkurve und Dynamische Netzstützung

Weiterhin fordert die TAR Mittelspannung, dass bei einer plötzlichen Spannungserhöhung, z.B. durch einen Blitzeinschlag, oder einem Spannungseinbruch, z.B. infolge eines Kurzschlusses, das Netz zu stützen ist. Dies wird durch die Einspeisung eines entsprechenden Blindstroms realisiert. Die Höhe des einzuspeisenden Blindstroms ist abhängig von der Spannungsänderung im Fehlerfall.

Spannungsänderung und Dynamische Netzstützung

Durch die spannungshebende Eigenschaft eines kapazitiven Blindstroms kann die Netzspannung bei einem Spannungseinbruch gestützt werden. Hingegen soll bei einer Spannungserhöhung die Erzeugungsanlage entsprechend einen induktiven Blindstrom einspeisen, welcher die Spannung am Netzanschlusspunkt senkt. Weiterhin müssen Erzeugungseinheiten in der Lage sein, auch bei mehreren aufeinander folgenden Netzfehlern am Netz zu bleiben. Mehrere aufeinander folgende FRT-Ereignisse können zum Beispiel im Falle eines Sturms durch gegeneinander schlagende Freileitungen auftreten. Würden sich in Folge dessen mehrere Erzeugungsanlagen vom Netz trennen, käme es zu einem Ausfall der Spannungsversorgung. Um auf solche Fälle vorbereitet zu sein, wurden die entsprechenden Anforderungen an Mehrfachfehler in die Technische Anschlussregel Mittelspannung aufgenommen und sind zukünftig von Erzeugungseinheiten und -anlagen zu erbringen.